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Ich bin Landwirtin auf dem Gut Wilhelmsdorf. Gleichzeitig vertreibe ich unsere qualitativ hochwertigen Biomilchprodukte als Direktvermarkterin in unserem Hofladen und über unsere Biokiste. Es schlagen also zwei Herzen in meiner Brust: Als Landwirtin brauche ich einen – wie alle immer so schön sagen – fairen Milchpreis. Also vereinfacht gesagt: möglichst hoch. Als Verkäuferin möchte ich möglichst vielen Menschen, die zu uns in den Hofladen kommen, den Genuss unserer Milch ermöglichen – also einen möglichst geringen Preis ansetzen. Die eigene Hofmolkerei nimmt nur einen Teil unserer Rohmilch ab, der Überschuss geht an unsere langjährige Partner-Biomolkerei Söbbeke. Als Vorstandsmitglied der Milcherzeugergemeinschaft und Vertreterin der ca. 100 Biomilchviehhalter, die Söbbeke beliefern, bin ich auch hier ganz stark involviert in die Preisbildung. Somit sitze ich mit am Tisch bei Söbbeke, wenn der Rohmilchpreis verhandelt wird.
Auch wir vom Gut Wilhelmsdorf hängen von dem allgemeinen Marktgeschehen für Biomilch in Deutschland ab. Denn der mit Söbbeke verhandelte Rohmilchpreis bildet die Grundlage für den Rohmilchpreis unserer Hofmolkerei und ist damit ausschlaggebend für die Preise, die wir unseren Kundinnen und Kunden in der Direktvermarktung in Rechnung stellen. Dieser hat sich in den letzten Jahren so entwickelt: Für circa 10 Jahre bis 2022 verzeichnete der Biomilchpreis einen Seitwärtstrend. Ich kann mich an intensive Verhandlungsrunden mit Söbbeke erinnern, in denen es um 0,5-Cent-Sprünge ging. Wesentliche Preisveränderungen waren nicht in Sicht. Das lag damals an der guten Versorgungslage für Biomilch in Deutschland, sodass die Molkereien frei zwischen den Erzeugerbetrieben wählen konnten. Da die Kosten für die Erzeugung von Biomilch in Deutschland jährlich um ca. 1,8 Cent pro Liter stiegen, sind die Erzeuger im Verlauf der 10 Jahre in eine wirtschaftlich immer schwierigere Lage gekommen.
Für die Biomolkereien ging dieses Modell bis 2022 gut auf. Doch 2020 kam Corona – Bio-Lebensmittel erfuhren einen nie zuvor dagewesenen Absatz und die bekannten Lebensmitteleinzelhändler und Discounter stiegen vermehrt bei Bio-Lebensmitteln mit ein. Die Verhandlungen zwischen Molkereien und Händlern wurden von Seiten des Handels sehr preisintensiv geführt, weil der Absatz sehr gut war. Der Handel profitierte und die Molkereien konnten die Preiszugeständnisse durch hohe Verkaufsmengen kompensieren. Leider wendete sich das Blatt im Februar 2022: Russland griff die Ukraine an. Lebenserhaltungs- und besonders Energiekosten stiegen für alle stark an, viele Verbraucherinnen und Verbraucher entschieden sich gegen den Kauf von Bio-Lebensmitteln. Die Verkaufsmengen der Biomolkereien sanken.
In den Verhandlungen mit den Biomolkereien wurden die Biomilcherzeuger deshalb lange vertröstet, obwohl auch sie mit deutlichen Kostensteigerungen (v. a. Diesel und Biofuttermittel) zu kämpfen haben: Rohmilchmenge > Biomilchabsatz. Insgesamt ist der Rohmilchpreis für die Erzeuger 2022 zwar etwas gestiegen, aber sie haben bei weitem nicht ausgereicht, die steigenden Erzeugungskosten zu decken. 2022 – 2024 bescherte den Biomilchviehhaltern demnach eine sehr lange Durststrecke – der Unmut, dass auch endlich mal wieder etwas bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen sollte, stieg. Kostendeckendes Arbeiten mit den Milchkühen war lange nicht möglich, man lebte von Reserven. Die Betriebe hatten keine Chance sich weiterzuentwickeln, die vielfach anstehende Hofnachfolge wurde wirtschaftlich immer schwieriger.
Dem gegenüber stehen wir als Gut Wilhelmsdorf als Direktvermarkter. Wir sind gut durch die Jahre gekommen, weil wir unsere Preise gegenüber dem Handel und euch als Endkundinnen und -kunden selbst in der Hand haben. Mit der Umstellung auf die kuhgebundene Kälberaufzucht haben wir 2023 unsere Preise in der Direktvermarktung nach oben angepasst und vergüten der Landwirtschaft diesen Mehrwert seitdem mit einem Aufschlag von 4 Cent pro Liter Milch. Dies gab uns etwas Luft, obwohl die kuhgebundene Kälberaufzucht auch höhere Erzeugungskosten mit sich brachte.
Drei große Verbände aus der Bio-Branche haben einen Orientierungspreis für Biorohmilch berechnet. Dieser liegt bei ca. 70 Cent pro Liter Milch. Wir sind nun bei der Abrechnung zwischen Molkerei und Landwirtschaft auf dem Gut Wilhelmsdorf bei diesem Preis. Denn zum Jahreswechsel konnten die großen Biomolkereien endlich von einem höheren Rohmilchpreis überzeugt werden – unter anderem von unserer Milcherzeugergemeinschaft, die mit Söbbeke verhandelt. Der Hintergrund ist die wirtschaftlich prekäre Lage. Diese hat zu einem Rückgang der Biomilcherzeugung geführt, die Biomilch in Deutschland wurde damit knapp: Rohmilchmenge < Biomilchabsatz. Biomilch wird seit langer Zeit plötzlich wieder ein Nachfragegut und Erzeugerinnen können nicht länger durch ein Überangebot mit geringen Rohmilchpreisen abgespeist werden. Der Auszahlungspreis stieg zum Jahreswechsel erstmalig in Richtung des Orientierungspreises an. In Kombination mit dem Aufschlag für die kuhgebundene Kälberaufzucht sind wir auf Gut Wilhelmsdorf nun bei diesem Preis angekommen bei der Abrechnung zwischen unserer Hofmolkerei und der Landwirtschaft.
Diese gestiegenen Rohmilchkosten müssen wir als Molkerei nun in der Direktvermarktung und an unsere Handelspartner weitergeben. Auch wenn unsere Milch im Milchregal „hochpreisig“ erscheint, wir wissen wo jeder Cent für den Liter verkaufter Milch oder Joghurt hinfließt: In eine zukunftsfähige Landwirtschaft nach den Bioland Richtlinien, die nach höchsten Tierwohl- und Umweltstandards arbeitet und handwerkliche Hofprodukte in die Region bringt.